Donnerstag, 9. August 2007

Biblische Orientierung im Januar 2007

Konzentrierte Gemeinde

Nachfolge in der konzentrierten Hinwendung zu den Menschen: mit einer Stimme, ohne Spaltung, fest im Halt aneinander, in einem Sinn und in einer Meinung

Eher durch Zufall bin ich in diesen Tagen in den 1. Korintherbrief (1. Kor.) gestolpert. Der 1. Kor. ist ein historisches Zeugnis für eine tiefe Disharmonie in einer Gemeinde! Eigentlich hatte ich seit Monaten schon das Gefühl, dass ich diesen Brief mal wieder lesen sollte – aber wer beschäftigt sich schon gerne freiwillig mit Disharmonie?

Die Gemeinde in Korinth z. Zt. des Paulus (Pls) ist eine typische, gesettlete Gemeinde; man hat was erreicht, man kann sich sehen lassen, man hat einen ganz ordentlichen Bestand, man hatte seine Erfolge, man hat eine Tradition, man hat seine Rezepte, wie’s immer ganz gut gelaufen ist.
Könnte man typische korinthische Gemeindemitglieder fragen, warum ihre Gemeinde denn existiert, würden sie größtenteils antworten: „Die Aufgabe der Gemeinde ist es, sich um meine Bedürfnisse und um die meiner Familie, um die Bedürfnisse meines Kreises, meiner Gruppe zu kümmern!“ – Diese Antwort gibt es bis heute (und diese Antwort gibt es auch bei uns:) In Prozenten umrissen denken über 80% der Gemeindeglieder so! - Die Rolle des Pfarrers in einer solchen Gemeinde ist ebenfalls klar: er hält die Schäfchen, die bereits im Stall sind, glücklich und bei Laune, dass diese auch nur ja nicht fortlaufen! Gut; es gibt noch ca. 10%, die auf die Frage, wozu eine Gemeinde denn da sei, antworten: „Die Aufgabe der Gemeinde ist es, Menschen für die Botschaft von Jesus Christus zu gewinnen!“
Natürlich wurde eine ähnliche Umfrage unter Gemeindepastoren gemacht; die Ergebnisse waren genau umgekehrt. 90% sehen die Gemeinden mit der Botschaft von Jesus in die Welt gesandt – und nur 10% sehen das Ziel von Gemeindearbeit in der Bedürfnisbefriedigung ihrer Gemeindeglieder. Konflikte und Disharmonie sind da vorprogrammiert – nicht nur zwischen Pastoren und Gemeindeleitungsgremium, zwischen Pls und den Korinthern – sondern auch innerhalb der Gemeinde, unter den Korinthern. Und bei uns natürlich auch!

Als ich Sonntagmittag begann, den 1. Kor. zu lesen, da hat mich das zum ersten Mal richtig überwältigt, wie und was der Pls da schreibt (1,4-9) …: seine Dankbarkeit


  • für diese Gemeinde und ihr Dasein,
  • für den Reichtum an Gaben und Fähigkeiten, den es in dieser Gemeinde gibt.

Aber – und ich glaube, das ist entscheidend: Das macht Pls nicht an den Menschen dieser Gemeinde fest, sondern an dem wunderbaren Gott, der die Menschen dieser Gemeinde eben so und nicht anders mit diesen Gaben und Fähigkeiten beschenkt hat – nicht zu ihrem eigenen Ruhm, sondern zu Gottes Ruhm!
Und dann kommt Pls sofort zur Sache (1,11ff.); er zeigt die Konflikte, die Spaltungen, die z. T. tiefgreifenden Disharmonien auf - und hält dagegen:
Gemeinde spricht mit einer Stimme, handelt ohne Spaltung, lebt fest im Halt aneinander, in einem Sinn und in einer Meinung (vgl. 1,10). –

Ganz schön mutig hingeschrieben und ganz schön mutig gesprochen! Manche nennen so was Gleichschaltung! Ich nenne das ganz einfach: einen Konzentrationsversuch!
Für Pls ist der Grund von Gemeindearbeit vollkommen klar und deutlich! Wenn man ihn fragt, wodurch eine Gemeinde existiert, wird er sagen: Durch Jesus Christus. Das ist der Grund, auf dem eine Gemeinde gebaut wird (1. Kor. 3,11). Auf oder aus einem anderen Grund klappt nicht, wird was anderes - aber keine Gemeinde!
Für Pls ist Gemeinde der Leib Christi, der Körper Jesu in der Welt, die liebende, annehmende, leidenschaftliche Gegenwart Gottes in der Welt! Und für Pls geht es in den meisten Briefen, die von ihm im Neuen Testament geschrieben sind, darum, diesen Leib Christi funktionstüchtig zu erhalten oder wieder funktionstüchtig zu machen! Und funktionstüchtig ist ein Leib, ein Körper, ein Organismus nur, wenn er einheitliche und koordinierte Abläufe hat, wenn er ein Zentrum hat, das seine Lebensäußerungen koordiniert! Konzentration!

Dieses Zentrum ist für Pls ganz klar: die Hinwendung Gottes nicht zur Kirche, sondern zur Welt, zu den Menschen, in Jesus! Wenn Gemeinde tatsächlich Gemeinde sein will, dann vollzieht sie diese Hinwendung konzentriert nach. Komplett: mit einer Stimme, ohne Spaltung, fest im Halt aneinander, in einem Sinn und in einer Meinung. Konzentriert auf Gottes großartige Vorgabe / Vorlage in Jesus! Weihnachten! Gott wirft sich mit der Botschaft von seiner Liebe in die Welt!
Nicht an einen heiligen Ort, nicht in den Tempel von Jerusalem! In die Welt! Die Welt selbst wird zum heiligen Ort, weil er sich hineingeworfen hat! Das hat für mich Priorität in diesem Jahr! Die Hinwendung zu den Menschen, denen wir die Botschaft von Gottes Liebe und die Einladung zum Glauben schuldig sind! Und das ist nichts Neues.
Ganz pointiert zusammengefasst findet man das auch im Leitbild 2010 des Kirchenkreises Herne:

  1. Die Herausforderung durch die säkularisierte Gesellschaft - Wir nehmen wahr: Die Mehrheit der Menschen unserer Region, Kirchenmitglieder oder nicht, lebt ohne eine lebendige Beziehung zu Gott. Jesus Christus ist nicht Vorbild ihres Handelns. Gleichzeitig suchen Menschen nach Sinn und innerem Halt.Wir sind ihnen die Einladung zum Glauben schuldig. Wir bezeugen ihnen, was Gott für uns Menschen getan hat. Wir geben ihnen ein glaubwürdiges Vorbild christlichen Lebens.Wir bezeugen unseren Glauben in friedfertiger Nachbarschaft und Auseinandersetzung mit anderen Religionen, in unserer Region insbesondere mit dem Islam, religiösen Strömungen und säkularen Lebensauffassungen.
  2. Die Herausforderung durch die pfarrerzentrierte Kirche - Die Gemeinden unserer Region werden in der Regel noch wahrgenommen und in Anspruch genommen als vom Pfarramt dominierte Teile einer behördenähnlichen Institution.Wir wollen leben und erkannt werden als eine Gemeinschaft mündiger Christinnen und Christen, die Jesu Wort zusammenführt, die sich gemeinsam der Nähe Gottes freut, den Glauben teilt und ihn im Alltag vielfältig Gestalt gewinnen läßt.Wir fördern in Kirchengemeinden und Fachbereichen das Engagement Ehrenamtlicher. Menschen sollen sich mit ihren Begabungen in Gottesdienst und Gemeindeleben entfalten können und verantwortlich in der Gemeinde mitarbeiten.

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